Die Organización Femenina Popular

Nils de Dardel

Präsentation

Die Organización Femenina Popular – Organisation für die Frauen des Volkes – wurde 1972 gegründet.

Unser Stiftungsrat hat zum ersten Mal im Jahr 2001 – auf Vorschlag des Hilfswerks der Evangelischen Kirchen der Schweiz HEKS – darüber nachgedacht, der OFP den Paul Grüninger Preis zuzusprechen. 2007 gehörte die Organisation erneut zu den Favoritinnen für diesen Preis.2011 haben wir beschlossen, dass es nun endlich Zeit ist, die OFP zu unterstützen. Denn ihre Werte entsprechen – unserer Meinung nach – sehr genau den Werten Paul Grüningers und damit jenen der Paul Grüninger Stiftung.

In Kolumbien gibt es seit sechzig Jahren einen bewaffneten Konflikt. Seine Konsequenzen für die Bevölkerung sind dramatisch. Es ist ein Konflikt, in dem kolumbianischen Kleinbauern systematisch ihr Land geraubt wird – von

Grossgrundbesitzern und von multinationalen Konzernen, die im Bergbau, in der Ölförderung und in der Agrarindustrie tätig sind; auch Schweizer Firmen gehören zu diesen Konzernen.

Die Folge solcher Vorgänge ist ein Prozess der Verarmung und der Vertreibung der Landbevölkerung, dem Millionen zum Opfer fallen. Das Ganze geschieht in einem Kontext extremer Gewalt. Insbesondere Personen und gesellschaftliche Organisationen, die sich für die Opfer der Gewalt einsetzen und sie verteidigen, werden dabei zu Zielen der bewaffneten Milizen, der sogenannten Paramilitärs, welche die Mehrheit der Regionen des Landes beherrschen. So gibt es eine lange Reihe von Entführungen, von Folterungen, Misshandlungen und von Attentaten gegen Verantwortliche dieser Organisationen, gegen Gewerkschafter und Verteidigerinnen der Menschenrechte.

Der erste Verdienst der OFP ist, dass sie diese Situation als Menschenrechtsorganisation überlebt hat und sich weiterentwickeln konnte. Für die Verantwortlichen brachte das grosse Gefahren und Leiden mit sich, es gab Anschläge gegen verschiedene Lokale der OFP, es gab Misshandlungen von Verantwortlichen der OFP, es gab Mordanschläge mit Toten. Mitarbeiterinnen der Organisation mussten fliehen und sich innerhalb von Kolumbien oder im Ausland verstecken.

In den Regionen, in denen die OFP aktiv ist – namentlich in der Region Magdalena Medio – hat sie Frauen-häuser aufgebaut: Orte des Empfangs, des Schutzes, der Ausbildung für Vertriebene und Verfolgte. In einem Land, von dessen 30 Millionen Einwohnern ein Viertel in extremer Armut lebt und weniger als 2 Dollar pro Tag zur Verfügung hat, bietet die OFP in ihren Frauenhäusern Essen und Beratung an: Kampf gegen Hunger und Mangelernährung, Lebensmittelmärkte ohne Zwischenhändler, Werbung für Soja und Quinoa als Grundnahrungsmittel; Volksküchen mit niedrigen Preisen.

Gleichzeitig erlauben diese Frauenhäuser die Unterbringung und den Schutz von Frauen und ihren Familien, die vom Tod bedroht plötzlich fliehen müssen. Die OFP, die dabei selber oft von internationalen Beobachtern geschützt werden muss, hat hunderte von Frauen, deren Kinder und Männer aufgenommen, versorgt und ihnen so lange Sicherheit verschafft, bis sie eine neue Existenzmöglichkeit fanden, sei es in Kolumbien oder im Exil.

Die Frauenhäuser der OFP sind auch ein Ort, an dem Opfer von Gewalttaten und bedrohte Menschen beginnen können, ihre Rechte zu verteidigen und gegen die Urheber der Gewalt mit legalen Mitteln vorzugehen. Denn das zentrale Anliegen der Aktionen der OFP ist die Verteidigung der fundamentalen Menschenrechte. Dazu unterhält die OFP auch Ausbildungsstätten, in denen Frauen die notwendigen juristischen und menschenrechtlichen Kenntnisse erhalten, damit sie selber eine Führungsverantwortung in der Bewegung zur Verteidigung der Kriegsopfer übernehmen können.

Die OFP hat ausserdem eine Schule für Kunst und Kultur aufgebaut, die für junge Leute beiderlei Ge-schlechter offen steht. Diese Schule will den Jungen die Möglichkeit zu geben, sich künstlerisch, musikalisch, aber auch sportlich zu betätigen und sich der Rekrutierung der jungen Leute in die bewaffneten Organisationen zu widersetzen. Sie fördert sozusagen den Widerstand aus Gewissensgründen gegen alle bewaffneten Gruppen.

In einem Land, das von Gewalt und Militarisierung verwüstet ist – Vorgänge, die eine männliche Hand-schrift tragen – , repräsentiert die OFP mit der Solidarität von Frauen jene Kräfte, die gegen den Krieg, für den Frieden und für die Verteidigung der Rechte der kleinen Landbesitzer und der armen Stadtbevölkerung eintreten. Die OFP hat unsere Bewunderung verdient und wir haben entschieden, sie zu unterstützen. Die

Frauen von der OFP mit ihrem Mut und ihrer Hellsicht sind für uns wirklich wunderbare Vorbilder.

Nils de Dardel, St. Gallen, 11. November 2011